Wie viel man zum Leben braucht

Was man zum Leben braucht, passt doch alles in ein oder zwei große Koffer. Denn zum Leben braucht man nicht viel. Kleidung, Technik, ein oder zwei Bücher, die Kamera, der Laptop, Reiseapotheke, Kulturtasche, Stifte, einen Tee, Kleinkram. Meine Koffer sind gepackt und stehen breit, nach Polen aufzubrechen.

Auch wenn ich Bahn oder Bus fahren bevorzuge, ich mag diese langsame Art der Fortbewegung, wenn man verfolgen kann, wie die Landschaft sich verändert; die Häuser ihre Architektur, die Straße ihre Beschaffenheit, die Natur zwischen Wald und Feldern. Ich mag es, Zeit zu haben, um nachzudenken. Einen Moment des Luftholens, bevor es irgendwo weitergeht. In Zügen ist es, als würde man verweilen, obwohl man vorankommt. Auch wenn ich also Bahn oder Bus fahren bevorzuge, fliege ich nach Kraków. Zum Glück, denn die Bahnstrecke Deutschland- Krakau ist nicht wirklich existent. Nur 20kg Aufgabegepäck und einen Handgepäck-Koffer braucht man also, um zu leben. Das meiste, was ich brauche, ist schon in meiner neuen Heimat: Nette Menschen, alte Häuserfassaden, das Treiben auf dem Marktplatz, eine Bibliothek als Arbeitsplatz, einen Fluss, eine Burg, Luft, die frisch genug ist, um nicht einzustauben (ha! Letzteres in der Smogstadt wohl eher nur symbolisch!).

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Der kleine, rote Drache auf meiner Kommode erinnert mich an das erste Mal, als ich in Krakau war. Ich kam dort an, Direktflug von dem Megaflughafen Hamburg, Schüleraustausch. In Krakau der Flughafen recht verlassen, leer, außerdem eine Baustelle und -vielleicht nur dadurch- winzig klein. Und alt. Das war mein erster Eindruck von Polen: alt, ramponiert, verlassen. Den kleinen Drachen habe ich auf dem Rynek gekauft, auf dem Marktplatz. Unzählige Drachen gab es dort in mehreren Größen und unzähligen Farben und ich wusste nur, dass ich mich unsterblich in die kleinen Geschöpfe verliebt habe. Ich schwanke, überlegte endlos, rechnete Zloty in Euros um, bis ich mich endlich für einen der kleinen fliegenden Geschöpfe entschieden habe. Wer hätte damals gedacht, dass ich nochmal für längere Zeit nach Polen komme? Und danach noch einmal! Sicherlich nicht ich.

Und so verlasse ich eine Heimat, um in einem anderen zu Hause anzukommen.

Liebe Grüße,

Sofia

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2 Gedanken zu “Wie viel man zum Leben braucht

  1. Liebe Sofia, in Gedanken reise ich mit dir mit, erkunde eine meiner Lieblingsstädte, die auch einmal Heimat für 2 halbe Jahre für mich war, aufs Neue, gehe um 5.00 Uhr das letzte Zapiekanka in Kazimierz essen, schlürfe heiße Schoki, die sich Pudding nennen müsste, in einem der ausgewählten Lieblingscafés, höre das Hajnal um 12.00 Uhr von der Marienkirche, fahre Tramwaj und genieße Geschichtsvorlesungen in der Jagiellonen Universität über das Polen der vergangenen Jahrhunderte… es gibt so vieles, woran mein Herz dort hängt. Ich wünsche dir eine unvergessliche Zeit und mindestens ebenso viele Dinge, woran du dein Herz hängen kannst… wie z.B. an deinen kleinen Drachen…. Die frische Luft gibt es im Speckgürtel, z.B. ums Kloster herum, in dem riesigen Parkkomplex ;) Auch die Villa Decius empfehle ich als Veranstaltungsort… ich freue mich auf deine Berichte aus Kraków… miłego przybytu!!! Anne

    1. Danke für deine Anregungen und Erinnerungen! Vielen Dank für den frischen Luft Tipp und die Villa- werde ich gleich mal nachlesen, was es dort gibt! Liebe Grüße aus dem noch manchmal sonnigen Kraków :)

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